Tierische Hausbesuche
Gib dem Menschen einen Hund
und seine Seele wird gesund -
Hildegard von Bingen
Wem ist das nicht auch schon so gegangen? Ein Hund läuft schwanzwedelnd und freundlich auf einen Menschen zu, im Inneren machen sich pure Freude und zahlreiche Glücksgefühle breit und man hat sogleich das Bedürfnis, den Hund zu streicheln. Hildegard von Bingen sprach damals schon das aus, was heute immer noch der Fall ist: Hunde spenden Lebensfreude und steigern die Lebensqualität. Dies kann auch Jorka Schweitzer bestätigen.
Therapie mal anders
Er, seine Hündin Clara und sein Rüde Joschi sind gerade zu ihrem nächsten Einsatz auf vier Pfoten unterwegs. Clara und Joschi trotten brav neben ihrem Herrchen her. Heute gehen sie zu einer Kundin der Caritas-Sozialstation Pankow-Süd. Vor der Tür wartet bereits Janina Hufe, Pflegekraft der Caritas-Sozialstation, die sich heute Mittag um die ältere Dame kümmert. Mit Vorfreude wird das Trio bereits von der Seniorin erwartet. Sie leidet an fortgeschrittener Demenz. Sie weiß aber genau, wann Herr Schweitzer und seine Hunde kommen. Schwester Janina erzählt, dass sie ihr bereits am Dienstag sagte: "Am Freitag kommen die Hunde." Herr Schweitzer gibt all seinen Klienten eine gewisse Wochenstruktur, damit diese sich auf ihn und seine vierbeinigen Begleiter einstellen können. Er besucht diese Klientin schon seit knapp drei Monaten in ihrem privaten Haushalt, immer freitags für jeweils eine Stunde. Angehörige hat die Seniorin leider keine mehr, dafür eine engagierte gesetzliche Betreuerin, die es ihr ermöglicht hat, regelmäßig Besuch von Herrn Schweitzer und seinen Hunden zu bekommen. Gefunden habe die Betreuerin ihn über "Mundpropaganda", ein Kollege von ihm hatte die Empfehlung ausgesprochen.
Herr Schweitzer erinnert sich an die Anfänge. Mit Hündin Clara begann alles. "Sie ging stets freundlich auf fremde Menschen zu. Da dachte ich, man könnte etwas damit machen", schildert er. Zunächst arbeitete er ehrenamtlich, besuchte Seminare und eignete sich im Rahmen von Praktika in der tiergestützten Therapie Wissen an, um sich gut auf seine Aufgabe vorzubereiten. Nach vier Jahren machte er letztlich seine Leidenschaft zu seinem Beruf. Er absolvierte eine Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie, um auch den fundierten fachlichen Hintergrund zu haben. Seit 2012 ist er mit seinen Hunden selbstständig tätig. Herr Schweitzer geht regelmäßig mit Clara und Joschi zu Einsätzen in Kliniken, Behindertenstätten, Demenz-WGs sowie anderen Einrichtungen. "In der Klinik zum Beispiel mache ich kleine Spiele mit den Patienten, damit ich weiß, dass jeder sich mal mit den Hunden beschäftigt hat. Hier in der Wohnung ist es eher so, dass sich die Dame und Clara von selbst miteinander beschäftigen sollen - so wie jetzt." Clara liegt ruhig und entspannt auf ihrem Schoss und lässt sich pausenlos streicheln. Die Dame spricht sie immer mal wieder an: "Wir kennen uns doch. Ja, du liegst gut bei mir. Das ist schön." Immer wieder spricht die Seniorin die Hündin an und lächelt dabei. Nach und nach döst Clara langsam auf ihrem Schoß ein und ist tiefenentspannt.
Positive Veränderungen
"Sie erkennt die Bedürfnisse der Hunde. Manche an Demenz erkrankte Menschen sind schon so in ihrer eigenen Welt, dass ihnen die Bedürfnisse der Tiere nicht bewusst sind und sie das nicht verstehen. Bei ihr ist es total schön, dass sie für den Moment aus sich heraus kommt und sich auch als Gastgeberin für die Hunde sieht. Das gibt ihr wieder Selbstbewusstsein, da sie weiß, dass die Hunde sich hier wohlfühlen", so Herr Schweitzer. Zwischenzeitlich erzählt die ältere Frau von ihrer verstorbenen Familie, so als seien sie noch am Leben. Sobald sich Hündin Clara regt, hat sie die volle Aufmerksamkeit ihrer Gastgeberin: "Der Hund hat sich hier auch schon eingewöhnt. Er weiß bereits, dass er hier beliebt ist", meint die Seniorin. Das ist für Herrn Schweitzer mit das Schönste bei seinen Besuchen, wenn solche Sätze fallen. "Es ist toll, dass sie aus der Vergangenheit ausbrechen kann, sich dann mit den Hunden beschäftigt und diese kleinen gegenwartsbezogenen Sachen sagt. Sie kommt aus den Schleifen heraus und freut sich über das, was jetzt gerade hier ist und kann das andere aus der Vergangenheit einen Augenblick ruhen lassen."
Viele Studien belegen die positiven Effekte, die Hunde bei psychischen und physischen Erkrankungen erzielen können. Gerade das freundliche Wesen, die nonverbale aufgeschlossene Kommunikationsfähigkeit und die beruhigende Art ermöglicht vielen, sich wieder zu öffnen und aktiver zu werden. Manchmal ist es auch nur die bloße Anwesenheit des Vierbeiners, die den Besuchten glücklich macht. Seitens der Dame besteht ein immenses Vertrauen zu Herrn Schweitzer. Dies rührt ihn sehr. "Das kommt auch durch die Hunde, weil sie sieht, dass die Hunde mir vertrauen. Sie beobachtet, wie ich mit ihnen umgehe und wie sie auf mich reagieren. Und daraus zieht sie dann sofort Rückschlüsse, was für ein Mensch ich bin", erklärt er.
Erinnerungen an den eigenen Hund
Leider ist es gerade im Alter oder bei Krankheit nicht jedem Menschen möglich, einen Hund zu halten, obwohl der Wunsch oft da ist. Es ist schwierig, dem Tier dann das zu bieten, was es benötigt. Aus diesem Grund gibt es Personen wie Herrn Schweitzer, die mit ihren Hunden im Rahmen von Therapie- und Besuchshundediensten regelmäßig Menschen in verschiedenen Wohn- und Einrichtungsformen besuchen gehen. Nach entsprechender intensiver Ausbildung für Mensch und Hund sind beide für ihre Einsätze gewappnet, sie wissen, wie sie in heiklen Situationen agieren sollten und erleben gemeinsam stressfreie Besuche. Die Therapie- und Besuchshundeteams sind in vielen Bereichen tätig, sowohl haupt- als auch ehrenamtlich. Und die Nachfrage steigt immer weiter, folglich auch das Angebot. Auch die ältere Dame hatte in ihrer Jugend mal einen Hund, von dem sie noch heute ein Foto besitzt. Umso schöner ist für sie der regelmäßige Besuch von Clara und Joschi. Nach einer Stunde ist der Einsatz vorbei. Das Trio verabschiedet sich von der Seniorin und freut sich schon auf den nächsten Besuch, wo sie ihr wieder Freude und schöne Momente schenken können.