Zeichen der Solidarität
Wir werfen nochmal einen Blick zurück. Im Bemühen die besonders gefährdete Personengruppe, nämlich die Heimbewohnerinnen und -bewohner, vor einer Infektion zu schützen, wurde die Mehrbelastung auch für unsere Einrichtungen mit der Verordnung des Senats zum Lockdown über den Jahreswechsel deutlich erhöht: Pflegekräfte in Berlin mussten sich ab da alle zwei Tage testen lassen, in Brandenburg zweimal wöchentlich (aktuell besteht die Verpflichtung sogar vor jedem Dienst); Besuchspersonen haben ein negatives Antigen-Schnelltestergebnis vorzuweisen; dass Besucher eine FFP2-Maske tragen ist zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen; es galt die Impfungen unserer Bewohner*innen vorzubereiten [...] - in Anbetracht hoher Infektionszahlen alles richtige und wichtige Maßnahmen, doch wer soll diese Tests durchführen, wer die ärztlichen Aufklärungsgespräche zur Impfeinwilligung organisieren? Claudia Appelt, Pressesprecherin der Caritas Altenhilfe, rechnet in einem Interview mit der Tagesschau vor: "In einem Heim mit 100 Bewohnern gibt es etwa nochmal so viele Mitarbeiter - Küche, Reinigungskräfte, Verwaltung eingerechnet. Wenn das Personal nun alle zwei Tage und die Bewohner einmal getestet werden, sind das 1.500 Tests im Monat. Jeder Bewohner darf dazu pro Tag von einer Person besucht werden. Diese Person muss einen Test vorweisen. Das sind monatlich weitere 3.000 Tests. Da bräuchte es eigentlich drei bis vier Vollzeitkräfte mehr, die sich nur um die Tests kümmern.".
Im Kampf gegen deutliche Personal-engpässe und um die Sicherstellung der Versorgung, weil Weihnachten bevorstand und trotzdem mit dem festen Willen, das Fest mit den Bewohner*innen trotz Einschränkungen zu begehen, haben wir in der Geschäftsstelle der Caritas Altenhilfe zum Zeichen der Solidarität aufgerufen und gefragt, ob der eine oder die andere über die Feiertage mithelfen könnte.
Acht von vielen helfenden Händen haben von Ihren Eindrücken erzählt.
Michael Dahm, Sachbearbeiter in der Mietverwaltung hatte sich während der Zeiten der Pandemie ohnehin schon Gedanken darüber gemacht, wie er sich als Unterstützung gesellschaftlich einbringen könnte und sich in seiner Umgebung kundig gemacht - da kam der interne Aufruf gerade recht.
Kathrin Schlüter aus der zentralen Leistungsabrechnung berichtete: "Meine Tochter war davon so begeistert, dass sie direkt mit unterstützen wollte - und so haben wir es dann auch gemacht."
"Mein Mann und ich, wir arbeiten viel", sagt Stefanie Kirschnick, Fachbereichsleiterin der Tochtergesellschaft SSG, "da werden die freien Tage über Weihnachten üblicherweise intensiv als Familienzeit genutzt. Doch in meiner Familie brauchte es keine Überredungskünste: Mein Mann hat sofort Ja gesagt und selbst seine Hilfe angeboten." Natürlich möchte die Familie - gerade wenn es um die Feiertage geht - mit einbezogen werden. Nicht immer ruft die Entscheidung, sich ja doch einem gewissen Risiko aussetzen zu wollen, sofort Begeisterung hervor, denn Unsicherheiten und Ängste können mitschwingen, Risiken müssen abgewogen werden. "Angst ist kein Faktor, der mich abhält, Dinge zu tun", so IT-Leiter José Carlos del Prado. "Was ich machen möchte, ziehe ich durch." So sieht das auch Kathrin Schlüter. Ganz nach ihrem Motto ‚Energie folgt der Aufmerksamkeit‘ erklärt sie: "Negatives Denken erzeugt negative Aufmerksamkeit. Richten wir unsere Energie also lieber auf das Positive."
Selbstverständlich wurden vom Träger alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Ein Schnelltest vorher, bei Bedarf ein Schnelltest in den Tagen danach, FFP-2-Maske, Handschuhe, Kittel, Desinfektionsmittel. "Ich hatte das Restrisiko als wirklich gering eingeschätzt, sofern man sich an alle Schutzvorkehrungen hielt", so Stefanie Kirschnick. "Ich habe mich eher darum gesorgt, dass ich Viren von außerhalb in die Einrichtung bringen könnte", sagt Michael Dahm.
"Man konnte spüren, dass sich alle darüber freuen, dass wir da sind, sowohl die Pflegekräfte als auch die Bewohner*innen.", so Kathrin Schlüter. Denn auch ohne pflegerischen Hintergrund gibt es immer unzählige Dinge, die getan werden wollen: Essen verteilen, Kaffee ausgeben, aufdecken und wieder abräumen, aufräumen, mit Ruhe zuhören und Zeit schenken, vorlesen, gemeinsam Briefe schreiben an Angehörige, Begleitung bei Spaziergängen im Freien.
"Ich erinnere mich noch sehr gut daran", erzählt José Carlos del Prado, "als ich mit einer Bewohnerin im Rollstuhl in den Garten spazierte. Draußen nahm sie die Maske kurz ab und atmete die frische Luft ganz tief ein. Ich konnte das Glück in ihren Augen sehen. Das hat mich beinahe zu Tränen gerührt." Manchmal war die Stimmung vor Ort bedrückend, Bewohner*innen wirkten verzweifelt, teilweise resigniert und das alles wegen eines "Feindes gegen den man kämpfen muss, der aber nicht greifbar ist", wie Michael Dahm das Virus beschreibt. Eine über 100-Jährige Bewohnerin erzählte: "Ich habe schon so vieles erlebt, von Kriegen über Mauerbau, doch das, was wir jetzt erleben, ist das Schlimmste." Die Isolation ist kaum erträglich. Auf Besuche der Lieben zu verzichten; die Angehörigen nicht umarmen können. Das alles ist schwer.
"Und deshalb tat es so gut, da gewesen zu sein, selbst wenn es nur um Kleinigkeiten ging, für die im täglichen Umgang einfach die Zeit fehlt", erklärt Michael Dahm. Ihm waren im Zimmer einer Bewohnerin Bilder aufgefallen, die auf dem Boden standen. Der Hausmeister hatte bisher noch keine Zeit gefunden. Sie wurden kurzerhand montiert. "Ich hatte schon die Befürchtung, ich würde Weihnachten im Bett liegen", sagte eine andere Bewohnerin, der einige Tage zuvor nicht ganz wohl gewesen war, "doch jetzt ist alles verflogen. Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk", sagte sie. Für Michael Dahm brachte der ehrenamtliche Einsatz viele schöne Momente. Am 24. Dezember las er einer schwer an Demenz erkrankten Bewohnerin aus einem Buch vor. Am Folgetag erkannte sie ihn wieder. "Sie hat mich direkt in ihr Zimmer gezogen und mir das Buch wieder vorgelegt", berichtet Michael Dahm mit einem Strahlen. "Für mich war es ein Geben und Nehmen", bestätigt Kathrin Schlüter, "Ich habe so viel zurückbekommen."
In einem Punkt sind sich alle vier besonders einig: "Ja, wir würden es wieder tun - ohne Wenn und Aber.". "Ich kenne die Situation in der Pflege", sagt José Carlos del Prado, "mir ist bewusst, dass Personalmangel herrscht.
In meinem Heimatland wird daheim gepflegt und ich weiß, wie schwer das ist.
Als ich hier angefangen habe, bin ich alle Stationen durchlaufen, auch die in der Pflege. Physisch und psychisch kann man da schnell an seine Belastungsgrenzen stoßen. Für unsere Mitarbeiter ist es in diesen Tagen schwer, alles so zu organisieren, dass der Betrieb bestmöglich weiterläuft. Leasingkräfte wirkten hinsichtlich der Infektionsgeschehen ängstlich und müssen teilweise überzeugt werden, ihre Arbeit anzutreten."
"Gerade bei Ausbruchsgeschehen ist doch sowohl die Pflege als auch die Hauswirtschaft glücklich über jede helfende Hand", sagt Stefanie Kirschnick. "Die Mitarbeiter sind ja genauso von der Situation betroffen.", erklärt Michael Dahm, "sie machen Extraschichten und Überstunden, viele befinden sich in Quarantäne." "Die Pflege war an ihrer Leistungsgrenze, genauso wie die Hauswirtschaft. In dem Haus, wo ich war, ist nach Weihnachten der komplette Spätdienst ausgefallen", berichtet Stefanie Kirschnick. Nicht nur die Bewohnerinnen, auch die Kolleginnen waren dankbar für die Unterstützung aus der Verwaltung. "Das hat man einfach gespürt", sagt Kathrin Schlüter.
"Mir ist besonders im Gedächtnis geblieben, wie viel Mühe sich die Pflegekräfte trotz aller Umstände gegeben haben, um den Bewohnerinnen und Bewohnern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und ihnen Zuversicht zu schenken", erzählt Stefanie Kirschnick. "Auch mit der Geschäftsführerin zusammenzuarbeiten, die mit unterstützt hat, war für mich eine Besonderheit und eine gute Gelegenheit einmal Themen zu besprechen, die sonst nicht auf der Agenda stehen. Wie oft hat man schon die Gelegenheit, sechs Stunden mit Frau Arwe zusammenzuarbeiten", schmunzelt sie.
Was ehrenamtliche Unterstützung noch so mit sich bringt? "Man beginnt automatisch, sich in Demut zu üben", beschreibt Michael Dahm, "die Jammer-Mentalität legt man ab. Man erfährt die Freude, Zeit zu schenken und lernt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen". Es bringt rührende Momente, Gänsehautmomente, bewegende Momente, Freude in den Augen anderer, die uns selbst mit Glück erfüllt. "Und es gibt noch 363 weitere Tage im Jahr", fasst Michael Dahm zusammen. "Der Lockdown geht weiter", ermahnt Kathrin Schlüter. "Was wäre, wenn aus dem alljährlichen Betriebsausflug ein Ehrenamtstag würde?" Stefanie Kirschnick und Michael Dahm kam diese Idee schon öfter in den Sinn.
"Ich kann mir vorstellen, dass einige der Verwaltungsmitarbeiter gar nicht wissen, was vor Ort geleistet wird. Viele Fragen und Probleme würden sich vielleicht klären, wenn die Mitarbeiter wüssten, was dort geschieht." Michael Dahm kann das nur befürworten und bestätigt diesen Eindruck: "Eine Vorstellung davon, wie die Arbeit in den Einrichtungen ist, hat jeder, doch vor Ort zu sein und zu erleben, wie es wirklich ist, war eine sehr schöne und wichtige Erfahrung." "Auch Aktionstage wären denkbar", findet Stefanie Kirschnick, "um ein gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Immer in einem anderen Haus - vielleicht auch als Team, damit sich niemand alleine fühlt."
Das klingt doch schön. Und eines ist sicher: Mindestens diese vier Ehrenamtler wären wieder mit an Bord.